Die letzten Wochen waren für mich mit viel Schwere, Reinigung und Erkennen von alten Mustern belegt. Nun wird es allmählich leichter.
Stark beschäftigt hat mich „erfolglos“, „abhängig“ und „unattraktiv“ zu sein. Teile die ich nicht sein möchte und doch gehören sie zu mir.
Meine Selbständigkeit fordert mich immer wieder. Sie konfrontiert mich mit meinen Schatten und Ängsten.
Es ist im Grunde nicht wirklich die „Existenz“-Angst oder das Versagen, sondern das ich erfolglos bleiben könnte im Erfüllen meiner Träume. Das ich zurück in eine Anstellung und Abhängigkeit muss, die mich in was Altes zurückführen würde, das ich nicht mehr möchte.
Ich möchte mein Herz und das Abenteuer nicht wieder ausschließen müssen.
Die Angst nichts zu finden was mich erfüllt. Gefangen zu sein in einem Alltag, der mich erdrückt und unglücklich macht.
Warum teile ich das mit dir?
Weil es so viele Menschen gibt, die auch beruflich diesen Schein gegen Aussen tragen, dass sie voller Erfolg und Freude sind und ja diese Momente überwiegen auch bei mir. Aber es gibt dahinter auch viel Zweifel, Ängste und das Risiko zu Scheitern.
Die Selbständigkeit kann auch zu einem riesigen Gefängnis werden. Zu einer Situation, die ein täglicher Kampf ums Überleben wird, also eigentlich ein flüchten vor unseren Ängsten und Schatten. Aber sie kann und ist noch so viel mehr. Freiheit, Erfüllung und das Gefühl von Macht und Wirkung, dass tun zu können was man möchte und vor allem das nicht tun zu müssen, was man nicht möchte.
Ebenfalls wird gerade in der Selbständigkeit viel schön geredet. Ja ich bin auch zeitweise im tiefen Vertrauen und weiss, dass es immer Wege und Möglichkeiten gibt und ich bin auch der Meinung, dass das Leben für uns ist. Jedoch ist nicht zu vergessen und ausseracht zu lassen, dass wir Mensch sind. Zum Menschsein gehören für mich diese Ängste, die Zweifel und all die Gefühle, die uns immer wieder aufrütteln, erschüttern und die Unsicherheit verspüren lassen. Es geht genau um diesen Teil, dass ich und vielleicht auch du diesen Teil noch mehr ins Herz schliessen darfst. Das erfolgreich sein nicht heisst immer im tiefen Vertrauen verankert zu sein und die Hoffnung nie zu verlieren. Sondern dass es eben auch aussichtslos, versagend und scheiternd sein darf. Das wir all die sogenannt negativen Teile nicht mehr auf unserem Erfolgsweg oder der Selbständigkeit aussperren, sondern sie als Antrieb, Erfahrung und Möglichkeit zum Erfolg nutzen dürfen. Das wir auch hier menschlich, verwundbar und uns schwach zeigen dürfen. Das wir damit dieses Leistungsfeld vom «massgeblich gelingenden und perfekten Erfolg» schwächen und das Feld der Arbeit wieder zu einem Feld der Erfahrung, des Ausprobierens und Fehlermachens wird. Ich fühle, dass genau dieser Leistungsdruck in Zusammenhang mit Arbeit und Geld mich immer wieder stark unter Druck setzt.
Ebenfalls heisst es nicht, dass wenn wir Selbständig sind oder unser eigenes Business leben es geschafft haben. Das ist ebenfalls ein grosser Schatten unserer Gesellschaft. Nur weil man Selbständig ist, ist man nicht besser, freier oder erfolgreicher als Angestellte. Wir kämpfen immer noch gegen die selben Dämonen in uns. Die Ängste und Abhängigkeiten erledigen sich nicht. Oft wird das Bild nach Aussen getragen, wenn man sich Selbständig macht, dann hat man es geschafft. Ja man einen Schritt gemacht, aber zu Ende ist es noch lange nicht. Im Gegenteil, der Prozess fängt erst richtig an, weil wir noch viel direkt mit unseren Schatten konfrontiert werden. Wir haben keinen Chef mehr dem wir die Schuld zuweisen können, wir müssen uns selbst mit unserem Kram beschäftigen. Und genau das verstecken sehr viele. So oft gaukeln wir den anderen vor, dass sich mit der Selbständigkeit alles erledigt und man nun seinen Traum leben kann. Und ich will da nicht leugnen, ich darf meinen Traum leben, aber je grösser das Licht umso grösser der Schatten. Das heisst die Zweifel und all die Gefühle des Scheiterns zeigen sich auch in einer grösseren Form.
Ich glaube, dass wir das Feld der Arbeit wieder mehr dazu nutzen sollten, unserer Fähigkeiten die noch in uns Schlummern zu erwecken und zu trainieren, statt uns in Wert und Erfolg zu verrennen. Das Arbeitsfeld sollte wieder mehr zu einem Lern- und Entwicklungsfeld werden, dass wieder mehr Risiko und Abenteuer mit sich bringen darf. Ein Lernfeld, dass nie aufhört und uns auch immer wieder fordert. Ein Feld, in dem wir wieder Fehler machen dürfen, um daraus zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Ein Feld das nicht nur noch von Überleben und Status geprägt ist, sondern wieder zu einem Feld unseres Herzens wird. Ein Weg, der genau unsere Fähigkeiten in uns trainiert die wir lieben und mit den Mitmenschen teilen möchten. Dabei spielt es schlussendlich keine Rolle, ob du diesen Weg in der Selbständigkeit oder Anstellung gehst. Keines ist besser als das andere, es nur eine andere Form des Übungsfeldes, indem wir uns dann befinden.
Ich weiss nicht, wie lange ich meine Selbständigkeit noch leben darf und kann. Es gibt Tage da bin ich tief im Vertrauen und es gibt Tage da bin ich voller Zweifel und habe das Gefühl alles zerrinnt mir zwischen den Fingern. Da habe ich Angst nicht nur zu versagen, sondern wieder alles loslassen zu müssen was ich mir aufgebaut habe und erfolglos zu sein. Angst in einen erneuten Kampf aufbrechen zu müssen. Das Gefühl von etwas verpasst zu haben breitet sich dann aus. Die Angst nun wieder gefangen zu sein, nicht weiterzukommen.
Ja all das schlummert in mir und wechselt sich ab. Es zeigt mir aber auch, dass es im Leben noch nie darum ging sicher zu sein. Es ist ein Abenteuer und ein Risiko. In der Liebe fällt mir dieses Risiko definitiv leichter. Da habe ich die letzten Jahre gelernt mich diesen Unsicherheiten und dem Abenteuer hinzugeben. Ich habe erkannt, dass die Begegnungen und Erfahrungen viel erfüllender und wichtiger sind und ich mit all den Gefühlen, die dadurch ausgelöst werden, umgehen kann, weil ich die Angst davor verloren haben. Weil ich diese Situationen in den letzten Jahren im wieder erfahren und trainieren durfte. Im beruflichen scheint da definitiv noch viel Luft nach oben zu sein. Da darf ich noch viel lernen. Mich mehr in das Risiko, die Hingabe und umsetzen wagen. Ich darf lernen das Feld der Arbeit neu zu betrachten und mich darin üben all meine Fähigkeiten, die noch in mir schlummern zu entdecken und zu trainieren. Ja ich darf noch mehr erkunden, was den genau in mir Ängste auslöst und was das Geschenk hinter erfolglos sein könnte. Ebenfalls das ich die Form und den vor allem den Wert der Form des Arbeitsfeldes loslassen. Egal, ob ich selbständig oder angestellt bin, ich übe mich in meinen Fähigkeiten. Ich erkenne, dass genau dort noch ein Knoten in mir liegt. Wenn ich meine Selbständigkeit aufgeben müsste, dann bedeutet das für mich ebenfalls erfolglos zu sein. Mit diesem Teil darf ich noch lernen Frieden zu schliessen. Den schlussendlich halte ich dadurch vielleicht sogar den Fluss des Lebens auf, der noch ganz andere Pläne für mich hat.
Ich werde weiterhin meine Erfolgsgeschichten mit euch teilen, aber ich werde euch auch immer wieder meine erfolglosen und schwachen Seiten zeigen. Denn ich weiss, dass das eine nicht ohne das andere existieren kann, weil ich Mensch bin. Ich wünsche mir in all diesen Facetten des Lebens wieder mehr Menschlichkeit und das geschieht nur, wenn wir selbst beginnen uns wieder verwundbarer zu zeigen.
Beitragsbild von Bea Troxler