Durch das Glatzen-Shooting durfte ich nicht nur mir selbst nochmals anders begegnen sondern es gab auch spannende Diskussionen die mich zum Nachdenken angeregt haben.
Dazu möchte ich hier einiges mit euch Teilen. Sehr viele Menschen verbinden gewisse Themen und Körperaspekte immer noch mit Schubladen oder sogenannten Prototypen. Sehr viele Menschen lassen sich sogar darüber definieren. Gerade Haare oder die Körperformen werden sehr stark mit «Weiblichkeit» verbunden. Ich durfte spannende Gespräche führen und war teils auch etwas erschrocken wie stark die Menschen an ihren Normen festhängen. Zum Beispiel das eine Frau lange Haare haben sollte oder zumindest Haare haben sollte und dann natürlich auch nur an den richtigen Stellen, also auf dem Kopf.
Das entspricht überhaupt nicht meiner Wahrheit. Und ich weiss, dass meine Weiblichkeit nichts mit all dem zu tun hat. Und gerade diese Glatzenbilder strahlen für mich sooo viel sanftes und weiches aus und ich habe das Gefühl das meine Weiblichkeit da durch noch mehr sichtbar ist. Klar ist schlussendlich alles Geschmackssache, aber darum geht es mir gar nicht. Es geht mir darum, dass Menschen jemanden be- oder verurteilen anhand einer ihrer Schubladen. Dieser Mensch kann vorher toll sein und plötzlich ist er es nicht mehr. Weil er keine Haare mehr hat? Weil er sich äusserlich verändert hat ist er nicht mehr der Selbe Mensch? Ja es ist eine andere Facette dieses Menschen, aber deswegen ist er doch nicht eine andere Person? Und ich hoffe das wir Millionen verschiedene Facetten von uns mit Haut und Haaren leben und unserem ganzen Sein ausdrücken und zeigen dürfen. Ich glaube das nennt man Leben. Veränderung, Erfahrung und Weiterentwicklung.
Diese Gespräche über das Shooting haben mir einmal mehr gezeigt, dass ich mich niemandem zu liebe ändern würde und da spreche ich nicht von meinem sein als Mensch, sondern auch vom Äusserlichen. Ich finde es unglaublich, dass es immer noch Partnerschaften gibt, wo sich die Frau die Haare nicht abscheiden darf oder was auch immer tun muss, weil er sie sonst nicht mehr liebt oder schön findet. So ein Bullshit! Das hat für mich überhaupt nichts mit Liebe zu tun. Ich will da auch niemanden beschuldigen, aber mir wurde gerade wieder bewusst wie unglaublich viele es das noch gibt, obwohl wir doch so fortschrittlich und weltoffen sind. Dazu kommt das wir es in der Hand haben ob so über uns entschieden wir oder nicht.
Noch erschreckender finde ich, den Gedanken was das dann auch alles heissen würde, wenn wir dieses Spiel weiterziehen. Ist eine Frau dann nicht mehr Frau wenn sie ein Körperteil verliert, oder keine Haare mehr hat? Natürlich ist sie das und sie ist nur dann entschuldigt wenn sie krank ist, dann kann sie ja nichts dafür, aber nicht wenn die Frau sich selbst dazu entscheidet.
Es würde dann aber miteinschliessen, dass eine kranke Frau wegen dem nicht mehr erotisch und sexuell anziehend ist. Sowas glaube ich einfach nicht und ich weiss auch das es nicht so ist. Das hat mir das Leben und meine Erfahrungen durch meinen Beruf und all die Zusammenarbeiten mit Menschen gezeigt und dafür bin ich soo dankbar. Und genau das war ja der Grund für meine Seite und die Botschaft dahinter und es zeigt mir gerade einmal mehr auf wie wichtig sie ist!
Wir sind immer alles. Körper, Geist und Seele und unsere Ausstrahlung zeigt sich indem wir in Harmonie mit diesen Teilen und uns als Wesen sind.
Das was ich ausstrahle und bin ist nicht abhängig von meinen Haaren oder einem Körperteil, ich bin immer ein vollkommenes Wesen und der Körper erstrahlt durch meine Zufriedenheit damit. Auch da würde ich mich nicht aufgeben nur um jemanden zu gefallen oder einem Bild zu entsprechen. Und dadurch finden auch genau die richtigen Menschen in mein Leben, die mich so lieben und wertschätzen wie ich bin.
Wer weiss wohin das Leben uns noch führt. Wie sich unsere Körper noch verändern werden. Wenn das die Definition ist um geliebt zu werden, dann könnte sich das sehr schwierig gestalten und ich glaube das zeigt sich da Draussen in der Welt zu gut. So viele Menschen verändern ihre Körper und Fassaden um einer Illusion zu entsprechen die nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Ich glaube das am Schluss uns das alles auch nicht glücklich machen wird.
Wir werden uns dadurch nicht lebendiger oder geliebter fühlen.
Was bringt es, wenn du dich nicht zeigen darfst wie du bist?
Dann wirst du dich auch als Gesamtwesen nie richtig entfalten und annehmen können, denn es wird immer Teile geben, die andere Menschen nicht gut finden an dir. Das heisst du wirst gar nie richtig dich leben können, weil du deine Zeit damit vergeudest einem erschaffen Idealbild nachzurennen.
Ich glaube am Ende unserer Tage werden wir genau dem nachtrauern, weil wir erkennen, das es sich nicht gelohnt hat unsere Selbstverwirklichung auf der Strecke zu lassen um anderen gerecht zu werden. Um Bestätigung statt wahrhaftige Liebe zu erhalten.
Aber um nochmals auf das Thema zurück zu kommen. Wir sehen diese Schubladisierung bereits auf Instagram und Facebook. Zum Beispiel das Thema Nacktheit (passt ja so gut zu mir). Man darf eine stillende, gebärende oder kranke Frau komplett nackt posten mit allen Details. Das heisst ja nichts anderes als eine Frau ist in dieser Lebenslage in diesen Umständen keine Frau mehr. Oder besser gesagt kein erotisches und sexuelles Wesen mehr. Einfach nur unglaublich, wenn man sich das mal bewusst macht. Und das ist nicht irgendwas Erfundenes, genau das habe ich zu genüge in meiner Arbeit als Coach und auch als Hebamme erlebt. Wie beurteilt wird und gerade Sexualität in gewissen Lebensphasen und Umständen komplett ausgeblendet wird. Ich glaube es ist definitiv auch hier an der Zeit mit diesen Tabus aufzuräumen. Denn genau diese gesellschaftlichen Sichtweisen und Schubladisierungen blockieren uns und sie schleichen sich bis in unsere Schlafzimmer ein.
Ich wünsche mir, dass wir unsere Schubladen mal wieder öffnen und ausräumen. Das wir erkennen und erfahren, weshalb wird sie überhaupt gemacht haben und wie verletzend wir dadurch sind. Und dabei geht es auch um uns selbst. Jedes Mal wenn wir eine Schublade zücken verschliessen wir auch eine Tür zu genau diesen Menschen vor uns. Wir rauben uns so unglaubliche Erfahrungen und Begegnungen. Denn auch ich habe meine Schubladen, die haben wir alle, aber ich habe gelernt nicht gleich aus der Schublade heraus zu reagieren sondern genauer hinzusehen. Ich habe erfahren wie aus banalen Gespräche tiefe Freundschaften entstehen können und aus einem offen Herz andere Herzen aufgehen. Und das ist das, was ich Heute so sehr liebe an meinem Leben. Diese Begegnungen mit Menschen die eine Fassade aufgebaut haben und sich dann wahrhaftig zeigen, weil ich es selbst auch tue. Das ist für mich Wunder und Magie. Dadurch habe ich Menschen in mein Herz gelassen, wo meine Schubladen ausgesperrt hätten und das wären riesige Verluste an Erfahrungen, Momente und auch wundervolle Menschen die mir ein so berührbares und magisches Leben zeichnen.
Jeder schubladisiert, weil wir Menschen so funktionieren, aber wir können noch immer frei wählen und entscheiden ob wir die Schublade einfach aufmachen und offen lassen oder bereit sind sie zu schliessen und dem Menschen vor uns ohne die Schublade zu begegnen. Wenn wir unsere Schubladen achtsamer angehen, dann werden sie auch weniger schnell aufspringen. Wenn wir unser Herz öffnen und vor allem wenn wir unsere Verwundbarkeit und Menschlichkeit beginnen zu leben, dann müssen diese Schubladen aus Angst auch nicht immer gleich aufspringen.
An dieser Stellen Danke an euch Alle. An eure Offenheit, eure Verwundbarkeit, eure Nahbarkeit und das Vertrauen das ihr mir immer wieder entgegenbringt.
Beitragsfoto Cristina Ignat